Immer wieder diese Reaktionen…
„Du hast… was…?????“
„Warum hast du dich denn nicht einfach nur beurlauben lassen?“
„Echt? Komplett? Wie doof kann man sein?“
Jetzt, im 3. Monat Freiberuflichkeit höre ich jedoch immer häufiger: „Wow! Wie mutig!“ „Du strahlst so… scheint also richtig gewesen zu sein!“
JA!
Auch bei mir kommt langsam an, dass ich einen großen Sprung ins extrem kalte Wasser gewagt habe. 20.000€ auf der hohen Kante, keine finanzielle Unterstützung vom Staat (denn ich bin ja selber „schuld“, dass ich die Sicherheit aufgebe), zusätzliches volles Risiko verbunden mit Umzug von Bremen nach Köln… möglichst alles selber machen, auch wenn ich von vielem keine Ahnung habe.
Von der verbissenen Einzelkämpferin zur freien, leichten Team-Bewegerin… was für ein Schritt auf meinem Lebensweg!
Ich habe jahrelang immer wieder versucht, das zu tun, was ich für richtig hielt. An verschiedenen Schulen, in verschiedenen Städten und immer wieder der Wunsch: Endlich ankommen.
Mit meinen Visionen und Ideen vom Miteinander. Inklusion in der Partnerarbeit, in der Gruppe, der Klasse, der Schule, im Stadtteil und der Gesellschaft. Ein Teil davon sein. Dazulernen, ausprobieren, scheitern oder Erfolgsmomente erzielen. Sich weiterentwickeln und den Blick weiten.
Noch mehr Biografien kennenlernen, neugierig bleiben und mit bewegen.
Verändern, aktiv teilhaben und im besten Fall etwas zum Guten wenden.
Tja… und dann kam der Blick in die Realität…
eigene Grenzen, Wutausbrüche statt Begleitung, gebremst und daraufhin kreativ werden, um das enge Korsett an Vorgaben zu weiten, zu umgehen… um den eigenen gesunden Menschenverstand im Umgang mit Menschen verwenden zu können.
Menschen, die mich ermuntert, inspiriert, auf ihre Art bestätigt und begleitet haben… und eben leider auch eine Menge Menschen, die gehemmt waren.
Gehemmt, weil sie noch nicht verbeamtet waren. Oder weil sie Angst hatten, den erlangten Beamtenstatus zu verlieren, weil sie streiken oder mal deutlich ihre Meinung äußern würden. „Es geht nicht!“ „Das macht man nicht!“ „Ich kann das nicht…“ „Ich hab Familie…“
Ich habe im Laufe der Zeit immer mehr gemerkt, was es bedeutet „Staatsdiener“ zu sein. In vielen Dingen nicht spontan entscheiden zu können, immer wieder umständliche Dienstwege zu gehen und nach oben zu „buckeln“. Auch wenn ich eigentlich lieber eine Diskussion geführt oder gar eine Revolution angezettelt hätte. Lange Planung, jede Menge Papierkram statt Spontanität, Flexibilität und Bewegung.
Ja, finanzielle Sicherheit war eine attraktive Vorstellung, aber den Preis, den ich dafür zahlen soll, habe ich erst jetzt -nach 17 Jahren- begriffen.
Um ein System zu bewegen, braucht es manchmal nur kleine Schritte. Aber wenn ich es von innen versuche, arbeite ich mich ab. Es wird auf der persönlichen Ebene schnell zum Missverständnis, das mitunter zu Trotzreaktionen, Mobbing und Ignoranz führt. Ja… auch zur zunehmenden körperlichen und psychischen Belastung. Innere und äußere Starre, mit der ich mich nicht abfinden wollte.
Als ich erlebte, dass ich von Schulpersonal, Eltern und Kooperationspartnern als „Impuls von außen“ , als ein ernstzunehmender Fachidiot mit interessanten neuen Ansätzen wahrgenommen wurde, erhielt ich plötzlich diverse Chancen, auch etwas zu bewegen.
Spuren zu hinterlassen, die vielleicht auch einen kleinen Teil dazu beitragen, dass Vielfalt (er)lebbar wird.
Mir ist wichtig, dass Kinder in der Schule kennen lernen dürfen, dass sie auf ihre eigene Art lernen und auch in ihrem Verhalten verschieden auf die gleiche Situation reagieren. Dass sie dazulernen dürfen, welche Strategie auf Dauer gewaltfrei weiterhilft. Dass sie ihre Ressourcen sicher einsetzen, um auch mal schwierige Zeiten gut zu überstehen. Dass sie es als selbstverständlich kennen lernen, wie man die Stärken und Schwächen des Einzelnen wahrnimmt und sinnvoll mit ihnen umgeht.
Dass auch LehrerInnen ihre Vielfalt leben dürfen und so das Schulklima positiv beeinflussen. Dass Eltern mit ihren Fähigkeiten, ihrer Wahrnehmung des eigenen Kindes ernst genommen werden.
Obwohl ich in den letzten Jahren auch viele engagierte, liebevolle und bewundernswerte Pädagogen kennen lernen durfte, blieb ein zunehmendes Unverständnis für die Unzähligen, die so wenig reflektiert und engagiert erschienen.
Dann kam dieser Tag, an dem der Groschen schließlich so laut fiel, dass ich ihn nicht mehr ignorieren konnte… der Beamtenstatus bremst… besonders eine kreative, flexible und visionäre Chaotin wie mich.
Jetzt hat mein 3. Monat Freiberuflichkeit angefangen… und mir ging es noch nie so gut. Ich lerne jeden Tag so viel Neues und vor allem DANKBAR zu sein.
Es war die richtige Entscheidung und auch wenn es vielleicht nach einem Jahr wieder in ein Angestelltenverhältnis gehen sollte, weil die Kunden ausbleiben: ich bereue nichts!
Ohne doppelten Boden, mit viel Risiko, Naivität, Kreativität und Engagementwillen… das ist mein neuer Alltag.
UND DER FÜHLT SICH VERDAMMT GUT AN! ;-D