Das Thema „Inklusion“ beschäftigt mich als Lehrerin für Sonder-pädagogik bereits sehr lange.
Ich hatte das Glück, schon vor 10 Jahren die ersten Vorträge zu hören, die mich begeistert haben.
Was für eine schöne Vorstellung! Teilhabe für alle, mehr Verständnis für einzelne Bedürfnisse, keine Ausgrenzung mehr und kreative Ideen zur Umsetzung…
Seitdem habe ich in vielen Schulsystemen, in verschiedenen Rollen und Teams meine Praxiserfahrungen gesammelt. Habe unglaublich berührende Momente erlebt, die mir zeigten, dass Vielfalt und friedliches Miteinander gelingen kann. Dass es tolle engagierte Menschen gibt, die „Inklusion“ bereits selbstverständlich leben.
Aber…
ich habe auch schnell Grenzen aufgezeigt bekommen. Viele hitzige Diskussionen geführt. So manches Mal festgestellt, dass es im Miteinander gar nicht so leicht ist, gemeinsame Wege im ähnlichen Tempo zu gehen. Oder plötzlich gemerkt, dass diese Wege gar nicht das gleiche Ziel hatten. Weil wir nie offen darüber gesprochen haben. Weil jede(r) davon ausging, dass es doch „ganz logisch“ sei, wohin die Reise zu gehen habe… Autsch!
2016 ist nun mein Jahr der Neuorientierung und des Neuanfangs.
Ich habe dem Beamtentum den Rücken gekehrt und mich dafür entschieden, dem Thema „Inklusion“ freiberuflich treu zu bleiben. Neue Wege zu gehen. Mal in genauer Planung und Absprache, mal spontan und offen für Neuland.
Offensichtlich braucht dieses an sich selbstverständliche Menschenrecht auf Teilhabe und Schutz vor Ausgrenzung/Diskriminierung nun doch Kontrolle durch Gesetze und Impulse durch Menschen, die von außen auf das System gucken. Es anstupsen, sich Zeit fürs Hinsehen und Hinhören nehmen… um so den ersten Hauch von Veränderung anzubahnen.
Ich liebe diese Veränderungsprozesse und begleite sie sehr gern. Sei es mit einem Kind, einem Erwachsenen, einem Team oder gar einer ganzen Institution, denn ich merke immer wieder, wie sehr ich durch die Begegnung mit den unterschiedlichsten Menschen hinzulerne… wie häufig ich nach Antworten suche, warum jemand sich so anders verhält als ich.
Warum jemand eine Entscheidung trifft, die ich aber auch für sowas von bescheuert halte.
Warum jemand meine Entscheidungen als „sowas von bescheuert“ einstuft, wenn es für mich die einzig Richtige zu sein scheint.
Je mehr ich verstehen will, desto mehr komme ich auch über meine eigenen Themen ins Grübeln.
Welche Werte habe ich eigentlich? Welche Ziele? Muss ich jedem Trend folgen? Muss ich bestimmte Erwartungen erfüllen, um gemocht zu werden? Muss ich bestimmte soziale und berufliche Eckpunkte vorweisen können, um mich als „erfolgreich“ zu empfinden?
Warum bringt mich Mensch xy schon auf die Palme, wenn er nur den Raum betritt, während Z mich nicht mal nervt, wenn ich schlecht gelaunt bin?
Warum gelingt Teamarbeit mit manchen Leuten problemlos, während ich mit anderen alles haarklein absprechen muss?
Bei dieser Spurensuche, dem Beobachten und immer öfter auch mal interessiertem Nachfragen habe ich viele verschiedene Antworten bekommen. Anregungen für ein alltägliches Ausprobieren.
Was bedeutet nun Teilhabe im Alltag für mich als Mensch ohne Behinderung? Was für jemanden, der nicht sieht? Nicht hört? Im Rollstuhl sitzt? Kognitive Beeinträchtigungen hat? Was ist mit Teilhabe am Alltagsleben mit Schwierigkeiten beim Sprechen, mit fehlendem Wortschatz? Wie gelingt das mit vielen meiner bisherigen SchülerInnen, die häufig durch „Verhaltensoriginalitäten“ eher negativ auffielen?
Jeder Tag ein neuer Versuch, neue Anregungen und Gedanken.
Immer wieder suche ich nach Bildern, Beispielen und Ideen, um auch anderen Menschen einen Perspektivwechsel anzubieten und für mehr Verständnis zu werben.
Oder auch einfach mal nicht zu verstehen, den Kopf zu schütteln oder mich gar aufzuregen.
Ich freue mich über den Austausch mit Ihnen / Euch!